Freitag, 20. Mai 2016

Liebe erleben: Erfahrungen der Erdbebenopfer in Ecuador

Das Team unserer Partnerorganisation Samaritan´s Purse leistet mehr als medizinische Versorgung


Es ist Samstag, der 16.  April um 18:30 Uhr. Familien sitzen beim Abendessen, Kinder spielen auf der Straße, alle genießen ihre normale Wochenendroutine. Niemand ahnt, dass dieser Samstagabend eine verheerende Katastrophe mit sich bringt.

Kurz vor 19 Uhr erschüttert ein Erdbeben der Stärke 7,8 die Nordküste Ecuadors. Es fordert über 660 Leben, mehr als 4.500 Verletzte und machte tausende Häuser dem Erdboden gleich.



Wie an jedem Wochenende spielt die sieben Jahre alte Marielena Rodriguez auch an diesem Samstagabend mit ihren Cousins im Park. Sie ist mit dem Rad unterwegs als plötzlich der Boden zu beben beginnt und eine Betonmauer direkt über ihr zum Einstürzen bringt. Marielena sitzt unter den Trümmern fest.
Als ihre Cousins sie finden, denken sie, dass sie tot ist. So schnell sie können rennen sie zum Haus ihrer Eltern, Banner und Eugenia, um zu berichten, was passiert ist.


Sofort eilen Banner und Eugenia in den Park, doch als sie dort ankommen, können sie ihr kleines Mädchen nirgends entdecken. Sie suchen und suchen und rufen verzweifelt Marielenas Namen. In der ganzen Stadt halten die beiden Ausschau, gehen von Krankenhaus zu Krankenhaus und wiederholen immer und immer wieder die Beschreibung ihrer Tochter – „ein siebenjähriges Mädchen mit braunen Haaren und braunen Augen“. Die Stunden vergehen, doch sie geben nicht auf.


 

„Ich war verzweifelt. Mir war nur noch zum Weinen zumute, aber ich musste für meine Frau stark bleiben“, erzählt Banner. „Meine Frau ist fast verrückt geworden, so viele Krankenhäuser haben wir abgesucht.“


Nach neun Stunden nervenaufreibenden Suchens finden sie sie endlich.  Im Chaos des Erdbebens wurde Marielena in ein Krankenhaus in Chone gebracht, 30 Minuten von ihrem Zuhause in Flavo Fairo entfernt. Banner und Eugenia hatten dieses örtliche Krankenhaus bereits fünf Mal aufgesucht, aber erst beim sechsten Versuch wurde ein Wärter auf die Beschreibung des Mädchens aufmerksam und brachte die Eltern zu ihrer Tochter.
„Meine Seele kam zu mir zurück,“ berichtet Banner. Banner, Eugenia und Marielena fallen sich in die Arme und weinen vor Freude, dass sie einander wiedergefunden hatten.

Das Krankenhaus war mit den Massen der Opfer des Erdbebens jedoch so überfordert, dass dort nicht viel für Marielena getan werden konnte. Die Rodriguez Familie hört aber von einem nahe gelegenen Feldlazarett, das von unserer Partnerorganisation Samaritan´s Purse eingerichtet wurde. Sie hoffen, dass dort jemand ihrer Tochter helfen kann.

In dem Zelt-Krankenhaus erstellen die Ärzte ein Röntgenbild, das zeigt, dass Marielena zahlreiche Frakturen in ihrem linken Oberschenkelknochen erlitten hat. Eine Operation ist unumgänglich.





Dr. Leland McCluskey, ein erfahrender Unfallchirurg, führt die Operation durch und setzt mehrere Pins, um das Bein wieder auszurichten.

Während Marielena im OP ist, geht es ihrer Mutter immer schlechter. Mitarbeiter des medizinischen Teams bringen sie direkt in die Notaufnahme, wo festgestellt wird, dass sie unterernährt ist und an einer beidseitigen Lungenentzündung, sowie einer chronischen Lungenkrankheit leidet. Die Neuigkeiten ihrer eigenen Krankheit, zusammen mit der Operation ihrer Tochter, ist zu viel für Eugenia. Sie bekommt eine Panikattacke. Die Ärzte und Krankenschwestern handelten sofort und sind zur richtigen Zeit zur Stelle, um Eugenia in ihrer Notlage zu helfen.

Während das medizinische Team sich um die körperlichen Belange kümmert, nimmt sich eine der Krankenschwestern in all dem Trubel die Zeit und stellt sich an Eugenias Seite um ihr sanft das Haar zu streicheln. Sie betet für Eugenia und ermutigt sie, ruhig zu atmen. Langsam normalisiert sich ihr Herzrhythmus wieder, ihre verkrampften Finger entspannten sich und ihr glasiger Blick beginnt, die Menschen um sie herum zu fokussieren.  


„Ich kann mir kaum vorstellen wie es ist, so etwas durchzumachen. Das Ausmaß des Schadens, die eingestürzten Häuser,“ erzählt Justin Dennery, eine der Krankenschwestern, die in dem Feldlazarett tätig ist. „All die Not stürzte auf einmal auf die arme Frau ein, sie war in einem Zustand purer Panik.“

„Sie hatte einen Moment schierer Verzweiflung,“ sagt Edgar Straube, ein Seelsorger bei Samaritan´s Purse. Edgar hat nach der Panikattacke geduldig an Eugenias Bett gesessen, beruhigend auf sie eingeredet und sie mit Suppe gefuttert. Auf einmal hat er ganz deutlich gespürt, dass es Zeit war, ihr von Jesus Christus zu erzählen.



Auf der anderen Seite des Krankenhauses kommt zur gleichen Zeit Marielena aus dem OP und erfährt, dass ihre Mutter ebenfalls krank ist.
Zusammengerollt liegt das tapfere Mädchen in ihrem Krankenbett und umklammert die geliebte pinke Puppe – das Einzige, das ihr in der Krankenstation aus Zelten vertraut ist. Das Team vor Ort ist kreativ und schafft es trotz der Sprachbarrieren mit Marielena zu kommunizieren und sie aufzumuntern.
Eine der Krankenschwestern malt bunte Blumen auf Marielenas Gipsverband. Ein anderes Teammitglied stellt ihr witzige Fragen und spielt mit ihr und der Puppe. Ganz langsam weichen die Tränen einem Lächeln – eine universale Sprache. 


Am späten Nachmittag trifft Marielenas Vater nach einer langen Schicht auf der Arbeit wieder am Krankenhaus ein. Als er die Station betritt, leuchtet ihr Gesicht auf. „Poppy!“ ruft sie und wirft sich in seine Arme.
Ein paar Stunden später entscheiden die Ärzte, dass Eugenia kräftig genug ist, um sich an das Bett ihrer Tochter zu setzen. Zum zweiten Mal in dieser Woche ist die Familie Rodriguez wieder vereint – aber diesmal ist etwas anders. Eugenia hat sich für ein Leben mit Gott entschieden. Sie sagt: „Ich möchte meinen Kindern weitergeben, dass sie Jesus in ihr Herz lassen können.“



Neun Stunden lang suchten Eugenia und ihr Mann nach ihrer Tochter und befürchteten das Schlimmste. Mit Tränen in den Augen sagt sie: „Ich dachte sie sei tot.“

Jetzt hat Eugenia nicht nur ihre Tochter wiedergefunden, sondern auch ihr Vertrauen in Jesus. „Ich habe nach ihm gerufen und er hat mein Herz berührt. Er hat mir in meiner Not geholfen,“ erklärt Eugenia.





Diese Geschichte ist nur ein kleiner Einblick in die Notfallhilfe unseres Partners Samaritan´s Purse in Ecuador. Bis heute hat das Team vor Ort mehr als 600 Patienten behandelt und über 160 Operationen durchgeführt. Jeden Tag kommen neue Patienten in das Zelt-Krankenhaus, jeden Tag werden Leben berührt.


Zusätzlich zur medizinischen Hilfe wurden tausende Hygienepakete, Wasserfilter für Haushalte und Zeltplanen verteilt. Zudem wurde ein Wasserfiltersystem im Krankenhaus in Jama, Ecuador, installiert. Täglich werden so 200 Menschen im Krankenhaus mit sauberem Wasser versorgt und eine sichere Wasserquelle der Gemeinde zur Verfügung gestellt.


Kleine Lichtblicke für Menschen, dir ihr Zuhause, Familienmitglieder und Freunde verloren haben.