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Viele Menschen leben in Zelten und notdürftigen Behausungen |
Meine Sitznachbarin auf dem Flug von Cebu nach Tacloban ist Marcella. Sie
ist verheiratet und hat eine 13-jährige Tochter. Sie wohnt offiziell in der
Nähe von Tacloban, ist aber eine von den jährlich 100.000 Menschen aus den
Philippinen, die in einer der reichen Länder arbeiten, um ihre Familie zu
unterstützen. Allzu oft kostet dieser materielle Gewinn jedoch den Preis
emotionaler
Nähe zu Partner und Kindern.
Viele träumen davon, mit dem überwiesenen Geld zumindest die unzulängliche Wohnsituation
für die zurückgebliebenen Familienangehörigen zu verbessern oder zu vergrößern.
Durch den Taifun Hayan wurde auch so mancher dieser Lebensträume zerstört.
Die Zerstörung ist schon aus der Luft zu sehen
Wie die meisten im Ausland arbeitenden Philippiner ist auch
Marcella bestenfalls alle ein oder zwei Jahre in der Lage, ihre Familie zu
besuchen. Sie arbeitet als Hausangestellte für einen „deutschen Boss“, wie sie
sagt, zuerst in den Golfstaaten und nun im Nordosten der USA. Seit dem verheerenden
Taifun vor zwei Monaten war sie noch nicht zu Hause. Keiner ihrer
Familienangehörigen ist zu Schaden gekommen, nur eben Haus und Besitz. Nun hat
sie eine Woche Sonderurlaub und freut sich auf ihre Familie. Gemeinsam schauen
wir beim Landeanflug aus dem Fenster; sie kann ihre große Bestürzung über das
Ausmaß der Zerstörung nicht verbergen, das selbst aus der Luft zu erkennen ist.
Als ich mit ihr über das Engagement von Samaritan’s Purse und die Unterstützung
von Geschenke der Hoffnung spreche, wenden sich uns mehrere Menschen in den
Nachbarsitzen zu. Während wir aussteigen schütteln mir einige dieser
Sitznachbarn die Hand, danken für das Engagement und bieten ihre Hilfe bei
Transport und Orientierung in Tacloban an. Bei Marcella überwiegen gemischte
Gefühle: das Entsetzen über die Zerstörung und die Freude über das Wiedersehen
mit ihrer Familie. Als ich mich von Marcella verabschiede, kann sie ihre
Emotionen kaum zurückhalten.
Die Verwüstung ist immernoch allgegenwärtig
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Eine Familie mit Hygienepaketen und Wasserkanistern |
Das Flughafengebäude ist stark beschädigt und das Gepäckband
außer Betrieb, weil zerstört. In Cebu regnete es, in Tacloban schüttet es in
Strömen, unaufhörlich, den ganzen Tag. Es ist zwar nichts Ungewöhnliches für
die Regenzeit, aber inzwischen stehen viele Gebiete unter Wasser, auch einige Straßen
und kleinere Brücken, die wir passieren. Doch weit mehr als der heftige Regen
ist es die Wucht der allgegenwärtigen, unübersehbaren Verwüstung, die verstört
und verwirrt. Schon die Fahrt vom Flughafen in die Stadt reicht eigentlich, um
einen Eindruck von dem zu bekommen, was sich in den nächsten Tagen an vielen
anderen Stellen bestätigt. An vielen Orten im Stadtgebiet, wie in solchen
Situationen üblich, gibt es Ansammlungen von Zelten größerer
Hilfsorganisationen, die hier ihre jeweiligen Hauptquartiere aufgeschlagen
haben. Samaritan’s Purse hat einige Räume in einem kleinen Hotel gemietet und
gleich am Anfang dem Hotelbetreiber einen Generator zur Verfügung gestellt, der
mit dem ersten Transport angeliefert wurde. Das diente beiden Parteien, lange
bevor die öffentliche
Energieversorgung
wieder gewährleistet war.
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Dieses Frachtschiff wurde durch die heftigen Wellen an Land gespült |
Die Straßen sind zwar inzwischen zum allergrößten Teil
wieder frei von Schutt und Abfall, doch direkt daneben sieht es oft noch aus
wie auf einem Schlachtfeld! Eingestürzte Gebäude, demolierte Fahrzeuge,
umgeknickte Strom- und Laternenmasten, verschlungene Strom- und Telefonkabel;
an der Straße zur Insel Samara kommen wir an einem Frachtschiff vorbei, das von
der Kraft der Wellen und des Turmes bis fast auf die Straße katapultiert wurde.
Die Feststellung, dass die Aufräumarbeiten noch lange dauern werden, wäre nur banal.
An verschiedenen Stellen findet „Mülltrennung“ statt, um wiederverwertbare
Materialien zu gewinnen. Selbst für einen dürftigen Wiederaufbau sind ja kaum
Materialien vorhanden. Heute appellierte der Gesundheitsminister noch einmal
daran, die Aufräumarbeiten doch schnellstmöglich abzuschließen. Der heftige
Regen fördert in diesem Zusammenhang
die
Ausbreitung von Krankheiten, doch möchte niemand über mögliche Epidemien
reden. Das Gesundheitsministerium dankte
allen medizinischen Helfern die mit den Hilfsorganisationen in das
Katastrophengebiet kamen und kündigte an, mit einmonatiger Übergangsfrist bis
Ende des Monats die Versorgung wieder durch philippinisches medizinisches
Personal sicherstellen zu wollen.
Neue Brunnen zur Trinkwassergewinnung
Doch generelle Entwarnung kann es scheinbar noch nicht
geben, weil an vielen Orten die Trinkwasserversorgung und zufriedenstellende
sanitäre und hygienische Verhältnisse noch nicht gewährleistet sind. Als
Ersthilfe hat Samaritan’s Purse mehrere Wasseraufbereitungsanlagen für besonders
betroffene Gebiete installiert. Doch inzwischen haben Probebohrungen ergeben,
dass der Grundwasserspiegel sehr hoch und die Wasserqualität ausgezeichnet ist.
Nun wird Brunnenbohrung und –bau in den Gebieten gefördert, wo die
Trinkwasserversorgung nicht gewährleistet ist.
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