Reisebericht Teil 2
von Hans-Christian Danker, Referent für Bildung und Information
Im ersten Teil meines Reiseberichts konntet ihr lesen, wie durch die Schule unseres Projekts
„Indien: Freiheit“ das Leben ausgegrenzter Kinder positiv verändert wird. Mich
hat es berührt, all diese Geschichten zu hören, die oft von bitterer Armut, großen
Entbehrungen und widrigen Lebensumständen geprägt sind. Genauso spürbar war
aber auch die Hoffnung im Herzen dieser Kinder, die Hoffnung auf eine
würdevolle und selbstbestimmte Zukunft. Denn diese Zukunft wird schon jetzt für
sie Realität, da sie an der Schule Wertschätzung und Anerkennung erfahren. Die
Lehrer und Mitarbeiter sind es, die ihnen jeden Tag diese Wertschätzung
entgegenbringen und sie spüren lassen: „Du bist wertvoll, du bist einzigartig,
du bist geliebt“.
Deswegen war es mir bei meinem letzten Besuch sehr wichtig,
die Mitarbeiter besser kennen zu lernen und auch ihre Geschichten zu hören. Was
motiviert sie, an der Good Shepherd
School zu arbeiten? Welche Herausforderungen gibt es? Und was verändert
sich aus ihrer Sicht im Leben der Schüler? In all diese Fragen möchte ich euch
mit den folgenden Geschichten Einblick geben.
Balaiah in seinem Büro. Hier hat er in den
ersten Jahren gelebt, weil die Schule nicht sicher war.
Über das Wiedersehen mit Balaiah habe ich mich besonders
gefreut. Als Lehrer hat er vor mehr als fünf Jahren an der Good Shepherd School begonnen. Seit 2013 leitet er die Schule und
ist für alles verantwortlich, was in und um sie herum passiert. Er ist selber
Dalit und weiß, was es bedeutet, getrennt von den anderen Dorfbewohnern zu
leben. In den Ferien, manchmal auch während der Schulzeit, mussten er und seine
Geschwister auf den Feldern oder Baustellen arbeiten. Als er
begann, sich für den christlichen Glauben zu interessieren, kam es zu großen
Spannungen mit seinen Eltern. „Komm bloß nicht wieder zurück, wenn du gehst“, hatten
sie zu ihm gesagt, als er die Entscheidung traf, ein Bibelstudium bei unserer
Partnerorganisation in Hyderabad zu absolvieren. Doch er blieb bei seinem
Entschluss, besuchte außerdem die Lehrerausbildung und kehrte danach in seine
Heimatregion zurück. Mit ganzer Kraft und Hingabe widmet er sich nun seiner
Arbeit und investiert viel Zeit und Energie in die Schule und die Kinder. In
den ersten Jahren nach der Gründung im Jahr 2008 waren die Menschen in der
Umgebung sehr ablehnend und unfreundlich, oft wurden sogar Gegenstände aus der
Schule gestohlen. Deswegen hat er für mehrere Jahre in der Schule gelebt, um
sie zu beschützen. Doch nach und nach begannen die Eltern, ihre Kinder zur
Schule zu schicken. Heute hat sie einen sehr guten Ruf, so dass sie
mittlerweile an die Grenzen ihrer räumlichen Kapazitäten gewachsen ist und
erweitert werden muss. Balaiah hat sogar noch größere Träume. Mit strahlenden
Augen erzählt er: „Ich würde gerne die medizinische Versorgung für die
Dorfbewohner mithilfe einer kleinen Arztpraxis weiter ausbauen, und wünsche mir
ein Waisenhaus für die vielen Kinder in der Region, die ohne ihre Eltern
aufwachsen müssen.“ Man spürt sofort, dass er ein Herz für die Armen und Ausgegrenzten
hat. Er möchte den Kindern und Jugendlichen eine gute Schulbildung ermöglichen
und ihnen von der Liebe Gottes, die er selbst erfahren hat, weitergeben. Denn dadurch
werden sie zu Hoffnungsträgern für ihre Familien und Dorfgemeinschaften, weil
sie das, was sie in der Schule lernen, in ihre Familien tragen und
Verantwortung für sich und ihr Umfeld übernehmen. So konnten Balaiah und seine
Kollegen beobachten, dass sich seit Gründung der Schule die Sauberkeit in den
Dorfgemeinschaften verbessert hat. Die Zusammenarbeit mit den Eltern bleibt
jedoch eine große Herausforderung. Manche können nicht lesen und schreiben,
vielen ist der Wert von Bildung nicht bewusst. Besonders schwierig ist es, sie
davon zu überzeugen, auch die Mädchen zur Schule zu schicken. Trotz all dieser
Herausforderungen strahlt Balaiah eine große Freude und Dankbarkeit aus.
Dankbarkeit darüber, dass er mit seiner Arbeit dazu beitragen kann,
ausgegrenzten und benachteiligten Kindern den Weg in ein würdevolles Leben zu
ermöglichen und ihnen etwas mitzugeben, dass auch über den Schulbesuch hinaus
Bestand hat.
Swapna bei der Arbeit.
Swapna arbeitet seit 2010 als Krankenschwester an der Good Shepherd School und übernimmt damit
eine zentrale und sehr wichtige Aufgabe. Denn was hätten die Kinder von einer
Schule, wenn sie ständig krank wären? Sie beobachtet das Wachstum und die
Entwicklung der Schüler, organisiert Impfungen, behandelt kleinere Krankheiten
und schult die Kinder und Jugendlichen in Hygiene- und Ernährungsthemen.
Häufige Ursachen für Erkrankungen sind verunreinigtes Wasser sowie Untergewicht
in Folge von Mangelernährung. Deshalb bietet die Schule ein Ernährungsprogramm
an, wodurch die Gesundheit der Schüler bereits merklich verbessert werden
konnte. Regelmäßig erhalten sie Obst, ein Glas Milch oder ein gekochtes Ei,
damit sie lebenswichtige Vitamine und Mineralstoffe zu sich nehmen. Die Eltern
sind sehr dankbar dafür, da sich viele eine ausgewogene Ernährung schlichtweg
nicht leisten können.
Doch Swapna kümmert sich nicht nur um die medizinische
Versorgung der Schüler. Mit großem Einsatz betreut sie auch viele Frauen in den
umliegenden Dörfern. Gemeinsame Arztbesuche, Verteilung von Medikamenten, Gesundheitskontrollen
sowie medizinische Aufklärung sind Teil ihrer täglichen Arbeit. Viele Frauen
leiden unter Alkoholproblemen aufgrund großer Schmerzen. In diese Situation
hinein kann sie konkrete Hilfe, Hoffnung und Wertschätzung bringen. Damit trägt
Swapna wesentlich dazu bei, dass nicht nur das Leben der Schüler positiv
geprägt, sondern auch das Leben in den Dorfgemeinschaften zum Besseren
verändert wird.
Swapna
Die schwächeren Schüler liegen Bhavani besonders am Herzen.
Seit 2014 arbeitet sie als Lehrerin an der Schule unseres Projekts. Sie
gehört einer niedrigen Kaste an. Als
einziges Familienmitglied erhielt sie das Privileg, zur Schule zu gehen. Sie
wurde Lehrerin und kam zum christlichen Glauben. Bhavani möchte den
benachteiligten und oft verwahrlosten Mädchen und Jungen das geben, was viele
Eltern dieser Kinder ebenfalls nicht hatten: eine gute Schulbildung. »Ich habe
selbst erfahren, wie Bildung und die Liebe Gottes mein Leben verändert haben.«,
erzählt sie strahlend. »Durch die Arbeit hier haben auch diese Mädchen und
Jungen sowie deren Familien die Chance auf Veränderung.« Die meisten Schüler
sind sehr wissbegierig und lernen schnell. Sie sind stolz darauf, dass sie
Englisch sprechen und schreiben lernen. Jeden Tag beobachtet sie, wie die
Schüler ihre Gaben und Fähigkeiten entwickeln und sich entfalten können. Das
macht Bhavani unglaublich froh und dankbar. Allerdings ist sie traurig darüber,
dass nur etwa 30 Prozent der Schüler Mädchen sind. Dies ist eine der größten
Herausforderungen, darin sind sich alle Lehrer einig. Zusammen mit unserem
Partner wollen wir in den kommenden Monaten daran arbeiten, den Anteil der
Mädchen zu erhöhen.
Bhavani unterrichtet Mathe in einer
Kindergartenklasse.
Mich hat es sehr beeindruckt, zu sehen, mit welcher
Leidenschaft, Hingabe und tatkräftigem Einsatz sich all die Mitarbeiter und
Lehrer in das Leben der Schüler investieren. Für sie ist das Lehrersein nicht
nur ein Job, sondern Berufung und Leidenschaft zugleich.
Mit eurer Spende oder Projektpatenschaft könnt ihr ihre
Arbeit unterstützen und dazu beitragen, ausgegrenzten Kindern Wertschätzung,
Freude und Perspektive zu bringen. Gerne kommen wir auch in eure Gemeinde,
Schule oder Jugendgruppe, um über das Projekt und die Situation der Dalits in
Indien zu berichten: bit.ly/MitmachenIndien
Kontakt:
Hans-Christian Danker
Tel.: 030-76883-412
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